Südafrika

Südafrika – Eindrücke eines Chorleiters
Von Hans Schmidt-Mannheim

Kapstadt – ein Traum. Einmal in Südafrika Kirchenmusik machen? Natürlich Chormusik!
Vielleicht in Kapstadt, vielleicht in der großen anglikanischen Kathedrale, der Organist
begleitet den Chor auf der historischen Willis – Orgel aus England. Unter den Zuhörern ist
vielleicht der Träger des Friedens-Nobelpreises, Bischof Desmond Tutu? Der Traum wurde
für mich zur Realität. Die Wirklichkeit durfte während des Chorkonzerts für zwei Stunden vor
dem Portal der Kirche zurückbleiben.

Die Chormusik

Möglich wurden meine Reise und das Konzert durch den Kontakt mit einem Mitglied der
„Südafrikanischen Heinrich-Schütz-Gesellschaft“, in deren Händen die Organisation der
„Schützwochen“ liegt. Der hervorragende Tenor war ein halbes Jahr Gast in meinem
Bayreuther Madrigalchor, berichtete von Gastdirigenten, und fragte mich, ob ich Lust hätte.
Ich hatte Lust! Die Mitglieder des Vorstands laden jedes Jahr einen deutschen Chorleiter ein,
der die jährlich in der Landesmitte (Kroondal, Bloemfontein, Hermannsburg/Natal) oder der
Kapregion (Kapstadt, Paar!) stattfindende „Schützwoche“ zu leiten hat – und das seit über
fünfzig Jahren. Oftmals war die Zahl der Anmeldungen von vorwiegend deutschstämmigen
Teilnehmern so groß, dass zwei Singwochen mit jeweils bis zu einhundert Sängerinnen und
Sängern – mit dem gleichen Programm – veranstaltet werden mussten. So durfte ich die erste
Woche in einem Feriencamp in der Landesmitte nahe Bloemfontein halten – bei
Temperaturen im Juli bis 7 °C in der Nacht, und bis zu +25 °C am Tag. Dazu ein
14 – Stunden – „Arbeitstag“ von 8.00 bis 22.00 Uhr, allerdings mit zwei Pausen! Das Klima
forderte einige Ausfälle in der Besetzung der Stimmen, doch der Chorleiter musste bis zum
Konzert fit bleiben. In der Woche bis zum nächsten Termin war ich Erholungsgast bei
Freunden, die ich bei den oben genannten Singwochen kennen und schätzen lernte.

Was wurde gesungen? Natürlich Schütz, aber auch Bach (u. a. doppelchörige Motetten),
Brahms, gemäßigte Moderne wie Kurt Thomas oder Günter Raphael. Nach den Proben saß ich
abwechselnd mit der jüngeren oder älteren Jugend in einer der „Hütten“ des Camps, sang
Volkslieder (dort kannte man alle Strophen!) und beantwortete Fragen aus Politik und Leben in
Deutschland, 1980 war ich erstmals eingeladen, weitere Schützwochen folgten. Vor mir
arbeiteten mit den singbegeisterten Teilnehmern unter anderem Erich Hübner (Heidelberg) und
Hermann Harrassowitz (Nürnberg), nach mir Rolf Schweizer (Pforzheim) und Christfried
Brodel (Dresden). Die Sängerinnen und Sänger mit unterschiedlicher Chorerfahrung kommen
aus kleinen Gemeinden mit noch kleineren Chören und haben einmal im Jahr die Möglichkeit,
anspruchsvollere Literatur zu proben und im Konzert zu singen. Dass das gemeinsame Singen
und Beisammensein während einer ganzen Woche auch die Gelegenheit zur Brautschau bietet,
wird nicht nur in Südafrika als positiver Nebeneffekt bei Jung und Alt geschätzt. Überhaupt, in
Südafrika ist die Zeit an manchen Orten etwas stehen geblieben. Man trifft sich und man kennt
sich. Als Zeichen der Vertrautheit oder Achtung wird gegenüber älteren Menschen häufig noch
die Anrede „Onkel“ in Verbindung mit dem Vornamen gebraucht. Ich ließ mir das gerne
gefallen und lege heute noch bei Begegnungen und Kontakten Wert darauf!…

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