Vorgestellt

Luther in Worms – Oratorium von Ludwig Meinardus
Von Ulrich Kahmann
Luther in Worms: Dieses Oratorium von Ludwig Meinardus ehrt keine Figur aus der Bibel, sondern eine historische Person. Das ist zwar nicht unbedingt lutherisch gedacht, aber durch die theologische Bedeutung des Reformators zu rechtfertigen und durch das Ereignis, das hier musikdramatisch gewürdigt wird: Luthers Auftritt vor dem Reichstag zu Worms im Frühjahr 1521 mit seiner Weigerung, die „ketzerische“ Lehre zu widerrufen. Die historische Folge war bekanntlich die Entstehung einer neuen Kirche.
Ludwig Meinhardus (1827-1896), als Komponist zunächst wenig bekannt, wurde mit seinem Oratorium „Luther in Worms“ schlagartig berühmt. Unbeständigkeit ist die Konstante, die sich durch Meinardus’ Dasein zieht. Lebenslanger Leitstern bleibt die Musik. Einen Akademie-Abschluss hat er nie gemacht. Nach Privatunterricht bei Daniel Gottlieb Türk und Adolph Bernhard Marx wirkt er als Privatlehrer, Direktor des Erfurter Sommertheaters, Mitarbeiter bei der Neuen Zeitschrift für Musik, Leiter der Singakademie Glogau, Privatdozent in Dresden, Musikredakteur in Hamburg und schließlich als Gründungskantor der Zionsgemeinde in Bethel. In Glogau rettet der depressive Mann sich in die Innerlichkeit des Pietismus; in Hamburg redet er sich mit antisemitischen Schmähungen um seine Stellung.
In Dresden aber gelingt Meinardus der große Wurf: „Luther in Worms“ wird im Juni 1874 als sein Opus 36 in Weimar uraufgeführt, unter dem Dirigat von Karl Müller-Hartung, einem Protegé von Franz Liszt, der sich für engagiert für das Oratorium eingesetzt hat. Das Werk erklingt alsbald im ganzen protestantischen Deutschland, dann in der Schweiz, in Ungarn und den USA. Zum Teil begründen die Zeitumstände den prompten Erfolg. Doch überzeugen vor allem die musikalischen Qualitäten dieses hochromantischen Werks für Soli, Chor und Orchester.

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