Arbeit im Jugendchor

Weiter geht’s im Jugendchor
Singen nach dem Kinderchoralter
Von Friedhilde Trüün

Mit Kindern nach der Grundschule in den weiterführenden Schulen zu singen oder in verschiedenen Kinderchorgruppen in Kirche und Verein zu arbeiten, bedeutet mitzuerleben, wie nach einer gewissen Zeit aus den Kindern Jugendliche werden. Trotz Schulstress, Nachmittagsveranstaltungen, AGs usw. sind viele dieser jungen Menschen motiviert, weiterhin in einem Chor in Kirche, Verein oder Schule mitzusingen. Das kann mehrere Gründe haben:

  1. In der Peergroup der jeweiligen Jugendlichen wird gerne weiter gesungen: die eine Freundin singt, also singt die andere auch.
  2. Zur Person der Chorleiterin/des Chorleiters wurde im Laufe der langen miteinander verbrachten Zeit im Chor eine Beziehung aufgebaut, die genährt wurde durch schönes Musizieren, eine gute Atmosphäre während der Chorproben, durch Konzerte, Wettbewerbe, Freizeiten und einfach durch ein gutes Miteinander.
  3. Die Jugendlichen haben die innerliche Freude beim Singen für sich selbst entdeckt. Es gibt im jungen Alter bereits Persönlichkeiten, die sich unabhängig von Peergroups eigenständig und individuell entwickeln und ihren eigenen Weg gehen.

Diese Erfahrungen in meinen Kinder- und Jugendchören haben mich dazu bewogen, ein weiteres Buch in der Reihe „Sing Sang Song“ zu schreiben (Carus Verlag). Das erste und zweite Stimmbildungsbuch wurde für Kinder bis einschließlich dem Grundschulalter konzipiert. Für die Heranwachsenden ist die folgende Phase zwischen elf und sechzehn Jahren eine entscheidende Zeit der Wandlung: der Persönlichkeit im Allgemeinen und der Stimme im Besonderen. Der neue Band von „Sing Sang Song“ widmet sich daher der speziellen Chorarbeit mit Teenagern und bezieht auch die Stimmwechsler mit ein.
Die Begrifflichkeit „Jugendlicher“ ist sicher erst mal zu klären, denn ab wann bezeichnet sich das Kind selbst als Jugendliche(r)? Ich verwende die Bezeichnung ab etwa 11 Jahren, wenn die Kinder von der vierten in die fünfte Klasse wechseln. Das sehen die Eltern vielleicht anders, aber die großen Kinder fühlen sich dann durchaus schon als Jugendliche. Hier kommt die Tatsache dazu, dass die Mädchen bereits mit elf/zwölf Jahren ihren Stimmwechsel haben, der aber nicht so stark wahrgenommen wird, wie bei den Jungen. Deren Stimmwechsel erfolgt erst wesentlich später. Darauf werde ich weiter unten noch zu sprechen kommen.
Der Beziehungsarbeit muss in dieser Lebensphase der Jugendlichen eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Die Heranwachsenden sind in ihrer Entwicklungssituation unsicher und daher noch mehr auf Beziehungen angewiesen: auf Beziehungen, aus die sie sich verlassen können, in der sie sich geborgen und sicher fühlen können. Die Chorgemeinschaft, die Klasse sollte einen geschützten Raum für die Heranwachsenden bieten, denn im pubertären Alter ist das Vertrauen die wichtigste Grundlage für ein Öffnen hin zum singenden Menschen.
Vor allem die Jungen sind zu Beginn des Stimmwechsels mit der Suche nach ihren neuen Tönen verunsichert. Es  gilt, als Chorleiterin ein gutes Gespür zu entwickeln: reagieren, aber eben auch nicht zu viel machen. Der Grat ist schmal: zu wenig ist nicht genug, zu viel kann überfordern. Ich mache die Erfahrung, dass Jungen mehr Aufmerksamkeit benötigen als Mädchen. Eine positive Zugewandtheit hilft allen Chorsängern/innen, aber auch hier gilt es das richtige Maß zu finden.
Eins aber ist sicher: wenn eine Probe oder Aufführung gelingen sollte, darf das Loben nicht fehlen: Loben zieht nach oben, auch wenn Pubertierende das Lob anders auffassen als Kinder. Manchmal reicht ein dankbarer Blick nach einem schönen Auftritt oder ein nach oben gestreckter Daumen. Mein Motto lautet: „Non verbal, bringt’s total.“…

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