Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen!
„… und wer den Talar anhat, der ist der Bestimmer.“ Manchmal muss man dankbar sein! Z. B. dafür, dass man sich die schwierige
Eröffnung eines Editorials nicht aus den Fingern saugen muss. Dieser Anfang wurde mir sozusagen frei Haus bei einem Schulgottesdienst geliefert, in dem die Pfarrerin (!) meinte, den Kindern ganz volksnah erklären zu müssen, wer im Gottesdienst welche Rolle spiele.
Sofern man nicht davon ausgeht, dass sich die Bestimmerin mit dieser Formulierung nur den sprachlichen Duktus mancher Medienleute oder der Bundesinnenministerin zu eigen machen wollte, die ausschließlich dann in der rein männlichen Form sprechen, wenn es um eher negativ besetztes Personal wie Islamisten, Rechtsextremisten, Schleuser, Straftäter etc. geht, ist dieser Satz hinsichtlich ihres geistlichen Selbstverständnisses recht entlarvend.
Damit passt er wunderbar zu einer Diskussion, die wir kürzlich im Kreis der FORUM-Herausgeberinnen und Herausgeber hatten. Es ging um die Frage, ob wir einen im deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt 3/24 erschienenen Text nachdrucken wollen oder nicht. Hierin beschreibt die Theologin Dr. Katarína Kristinová unter der ungewöhnlichen Überschrift „Das Infantil“ ihre Wahrnehmung der aktuelleren Predigtkultur und, man muss es wohl so sagen, rechnet mit der von ihr beschriebenen Infantilisierung dieser Kultur ab. Der Text listet einige „Predigt“-Beispiele auf, die allerdings nur dann erheitern, wenn man sich während des Lesens nicht immer wieder sagen muss: „Kenn’ ich“.
Meinem ersten Gedanken („Der Text gehört ins FORUM“) folgte bald der zweite: Es ist eine Sache, wenn jemand in einer Fachzeitschrift über die Kollegen der eigenen Profession schimpft, aber es ist eine andere Sache, wenn der gleiche Text in der Fachzeitschrift der, sagen wir, Nachbar-Berufsgruppe auftaucht. Vor allem dann, wenn die beiden Gruppen in einem nicht immer völlig spannungsfreien Verhältnis zueinander stehen.
Diese Überlegung habe ich dann, zusammen mit dem Text, auch dem Herausgeber-Kreis übermittelt und die Antworten waren so ausführlich und spannend, dass sie alleine schon einen Text im Heft wert wären. Genau wie im Leserforum des Pfarrerblatts war es auch bei uns eine der intensivsten Diskussionen der letzten Jahre, die uns schlussendlich zu folgender Lösung geführt hat: Wir werden den Text nicht veröffentlichen, laden Sie aber ein, den im Netz leicht auffindbaren Text zu lesen und uns sehr gerne
auch Ihre Gedanken hierzu mitzuteilen. Sie finden den Text über den nebenstehenden QR-Code oder indem Sie in Ihrer Suchmaschine die Stichworte „Pfarrerblatt Infantil“ eingeben (im Internet heißt die Zeitschrift tatsächlich immer noch „Pfarrerblatt“).
Ich selber kann nach 11 Jahren als (mittlerweile ehemaliger) Organist an der Heidelberger Uni-Kirche nicht wirklich über das Predigtniveau der Uni-Theolo-gen klagen (von der liturgischen Kompetenz sprechen wir ein anderes Mal …).
Andererseits sitze ich bereits seit 40 Jahren auf dem Orgelbock und auch im Urlaub besuche ich gelegentlich Gottesdienste und so kann ich durchaus von mancher Skurrilität berichten, die die Männerinnen und Männer des Wortes von der Kanzel herabpredigten. Mein Lieblingsbeispiel ist eine adventliche Lied(!) predigt über Nun komm, der Heiden Heiland, in deren Verlauf der Pfarrer 15 lange Minuten wieder und wieder behauptete, der Choral heiße Nun kommt der Heiden Heiland und ihn in offensichtlicher Unkenntnis der originalen Grammatik des Liedanfangs auch entsprechend auslegte.
Tja, dachte ich: Und morgen kommt der Weihnachtsmann. Aber bis dahin ist ja noch etwas Zeit, deswegen: Bleiben Sie trotzdem fröhlich,
Ihr
Carsten Klomp