Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
haben Sie was gemerkt in diesem Frühjahr? Einer der vielen Kirchenaustritte war ein ganz besonderer – denn plötzlich waren wir Kirchenmitglieder zum ersten Mal in Deutschland in der Minderheit. Ich schreibe „wir“, weil ich davon ausgehe, dass die Forum-Leser mehr oder weniger alle Kirchenmitglieder sind, aber womöglich stimmt das gar nicht.
Letztlich hat sich durch diesen einen Austritt die absolute Mitgliederzahl kaum verändert, aber zu wissen, dass „wir“ nun tatsächlich weniger sind als die Nichtmitglieder, stimmt mich schon nachdenklich. Zu hoffen, dass sich diese Statistik in den nächsten Jahrzehnten wieder zu „unseren“ Gunsten verändert, scheint mir jedenfalls vollkommen blauäugig. In der Frankfurter Sonntagszeitung gab es kürzlich einen langen Artikel über die erste nachchristliche Generation in Deutschland. Um es kurz zu sagen: Als jemand, der von der Kirche, letztlich also von den Kirchensteuerzahlern bezahlt wird, macht einen diese Analyse schon nachdenklich.
Andererseits, falls Sie mit dem Gedanken spielen auszutreten, kann ich Sie in einem Punkt beruhigen: Kirchlich heiraten können Sie trotzdem. Zumindest als Minister bzw. als Ministerin und auf Sylt, da wo Geld bekanntlich keine Rolex spielt.
Ich bin jedenfalls beeindruckt, wie wir es bei Kirchens schaffen, mit größtmöglicher Öffentlichkeit den Leuten immer wieder klar zu machen, dass eine Kirchenmitgliedschaft eigentlich völlig überfl üssig ist. Da braucht es nicht mal eine Kölner Spielschulden-Geheimkasse oder andere Woelkiaden, das kriegen wir auch selbst hin.
Nicht hinkriegen werden wir es vermutlich, dass unsere „Spielstätten“ im kommenden Winter beheizt werden. Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat zwar gerade versprochen, dass der Bund die Kulturstätten in diesem Winter beim Heizen als systemrelevant und unverzichtbar finanziell unterstützen werde, bei ihrer Aufzählung kamen Kirchen aber leider (wieder einmal) nicht vor. Nun ja – was haben zigtausende von konzertanten Aufführungen in unseren Kirchen schon mit Kultur zu tun?
Andererseits: Wenn ich mir den Inhalt dieser Ausgabe des Forum Kirchenmusik anschaue, kann ich mich des Eindrucks einer gewissen Nähe von Kultus und Kultur nicht ganz erwehren. Und damit habe ich gerade noch einmal die Kurve zum aktuellen Heft hinbekommen, für das ich Ihnen viel Freude beim Lesen wünsche.

Ihr Carsten Klomp

Schreibe einen Kommentar