Von Christoph Krummacher
Wenn der Deutsche Musikrat einen Kongress zur Kirchenmusik veranstaltet, so mag das in einer Hinsicht naheliegend sein. In seiner Sorge um die Vielfalt der Musik in unserem Lande kann er an der Kirchenmusik schlecht vorübergehen. Dass also über deren gesellschaftlichkulturelle Bedeutung nachzudenken ist, ist seine genuine Aufgabe. Aber zugleich ist über Kirchenmusik nicht nachzudenken, ohne ihre theologisch-kirchlichen Implikationen zu thematisieren. Und so möchte ich Sie auf einen solchen Denkweg mitnehmen, wohl wissend, dass […] dies angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit ohnehin nur eine Skizze sein kann.
Die Frage, warum die Kirche die Kirchenmusik braucht, scheint trivial. In der Regel wird hier an den Gottesdienst gedacht. Der Hinweis ist indes unzureichend. Einerseits gibt es Kirchenmusik jenseits des eigentlichen gottesdienstlichen Geschehens und liturgiebezogene Musik, die von vornherein die liturgischen Maßverhältnisse sprengt. Geht man von einer funktionalen liturgischen Bestimmung aus, landet man schnell bei der Verlegenheitslösung, Kirchenmusik und geistliche Musik zu unterscheiden. Aber was soll dann geistliche Musik sein? Außerdem gerät eine rein funktionale Bestimmung leicht zu einer Art Nützlichkeitserwägung, ist also theologisch nahezu „blind“. Eine Antwort auf den tieferen Sinn selbst gottesdienstlicher Musik ist so nicht zu finden. Natürlich sind die meisten unserer Gottesdienste auch musikalische Ereignisse, angefangen beim Singen der Gemeinde. Aber heilsnotwendig […] ist unser Musizieren nicht, auch wenn uns dann vieles Liebgewordene fehlen würde. Auch der lokale Hinweis, Kirchenmusik sei die Musik der Kirche im Kirchenraum, greift zu kurz. Ist Bachs Matthäuspassion, ursprünglich Musik für den Leipziger Karfreitagsvespergottesdienst, außerhalb des Gottesdienstes und gar im Konzerthaus keine Kirchenmusik mehr…