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Kirchenmusik in der reformierten Deutschschweiz

Von Andreas Marti
Gemeindegesang und Gesangbuch
Entgegen einer immer noch verbreiteten Meinung begann der Gemeindegesang in den reformierten Gemeinden der Schweiz bereits in der Reformationszeit, allerdings nicht überall gleich rasch, und ausgerechnet Zürich wartete damit bis 1598. Die Einführung erfolgte meist schrittweise, zunächst über die Schüler, in den Städten eher als auf dem Land, und häufig offenbar vor und nach dem eigentlichen Gottesdienst, bevor er in die Liturgie selber gelangte. Nach einer ersten Phase, in der in den reformierten Orten das in den 1530er Jahren in Konstanz geschaffene Gesangbuch und seine Nachauflagen im Gebrauch waren oder das Material für eigene Bücher lieferten, beherrschte vom 17. Jahrhundert an der Genfer Psalter in der Nachdichtung von Ambrosius Lobwasser das Feld. Daneben wurde eine beschränkte Zahl von «Festliedern» zum Kirchenjahr oder von Katechismusliedern verwendet. Im 18. Jahrhundert erschienen Neubereimungen des Psalters für Bern und Basel, im 19. Jahrhundert trat er dennoch stark in den Hintergrund und machte dem Repertoire aus Barock, Pietismus und Romantik Platz, das in unterschiedlicher Auswahl in kantonalen Gesangbüchern enthalten war. Ein erster Versuch eines gesamtdeutschschweizerischen Gesangbuchs scheiterte 1891, weil sich lediglich 8 Kantone anschlossen, während 4 Ostschweizer Kantone bei ihrem gemeinsamen Buch von 1868 blieben. Erst 1952 konnte ein gemeinsames Gesangbuch eingeführt werden, nachdem ein Probeband 1941 zu erbitterten Kontroversen zwischen Vertretern eines qualitativ hochstehenden Repertoires und denjenigen eines mehr auf breite Akzeptanz ausgerichteten Gesangbuchs ausgelöst hatte. Das zweite gemeinsame Buch der Deutschschweizer Reformierten erschien 1998. Es war in enger Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen für das im selben Jahr publizierte Römisch-katholische Gesangbuch entstanden, und auch mit den Herausgebern des Evangelischen Gesangbuchs in Deutschland bestanden enge Kontakte. Das Buch wurde in den Gemeinden gut aufgenommen; ergänzt wurde es durch eine nun schon in zweiter, überarbeiteter Auflage erschienene Sammlung «Rise up» bzw. «Rise up Plus» mit Stücken aus dem Bereich des Neuen Geistlichen Liedes und verwandten Gebieten…

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