Neuer Präsident: Peter Ammer

Der Verband Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Deutschland (VEM) und sein neuer Präsident Peter Ammer: eine Doppel-Vorstellung

Arbeit und Funktion des Verbands wurden schon längere Zeit nicht mehr vorgestellt. Daher nutze ich gerne die Gelegenheit meiner eigenen Vorstellung  und meiner Vorstellungen zum neuen Amt. Am 1. Januar 2021 habe ich den Vorsitz im Verband Evangelischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker in Deutschland von Christoph Bogon übernommen und freue mich auf dieses Amt. Wenn man solch eine neue Aufgabe übernimmt, ist es selbstverständlich, dass man sich vorher genau informiert, was auf einen zukommt. Neben Gesprächen mit dem Vorgänger, meinem Einblick als Vizepräsident und Erkenntnissen vom „Hören-Sagen“ wissen Vereins- und Verbandserfahrene in solchen (und anderen) Fällen: „Im Zweifel hilft ein Blick in die Satzung“ – dem Schriftstück, das die wenigsten einmal gelesen haben geschweige denn auswendig kennen. Dort steht zu lesen (siehe www.Kirchenmusik-VEM.de):
§ 2 Zweck und Aufgaben des Verbandes
1. Der Verband ist der Zusammenschluss der in den Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) bestehenden selbständigen Landesverbände zum Zwecke der Förderung der Kirchenmusik.
Er ermöglichst deren Zusammenwirken bei der Wahrnehmung der fachlichen, beruflichen und sozialen Interessen der Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker; dies geschieht durch regelmäßigen Informationsaustausch, die Erarbeitung von Stellungnahmen und Empfehlungen sowie durch Aktivitäten im Rahmen gesamtkirchlicher Unternehmungen. Er vertritt sie gegebenenfalls gegenüber der Evangelischen Kirche in Deutschland und den Landeskirchen sowie gegenüber der Öffentlichkeit. Eine besondere Aufgabe des Verbandes ist die Unterstützung kirchenmusikalischer Arbeit in evangelischen Diaspora-Kirchen Europas.
2. Der Verband ist vertreten in der „Ständigen Konferenz für Kirchenmusik in der EKD“.
3. Der Verband gibt eine Fachzeitschrift heraus.

Zu meinen neuen Aufgaben finde ich in § 8 ‚Die Präsidentin bzw. der Präsident‘ neben den Wahlmodalitäten noch folgende Absätze:
1. Die Präsidentin bzw. der Präsident vertritt den Verband nach innen und außen. Sie bzw. er führt die laufenden Geschäfte des Verbandes und ist dem Zentralrat verantwortlich.

3. Die Präsidentin bzw. der Präsident lädt zu den Sitzungen des Zentralrats ein und leitet diese…

Aha. (Dass die weiteren Regelungen nicht so trocken rüberkommen und man merkt, dass es sich um einen „Musik-Verband“ handelt, „garniere“ ich fürderhin musikalisch). Kern des Verbands, das Zentrum sozusagen, ist der Zentralrat (in § 7 beschrieben). Er besteht neben der Präsidentin bzw. dem Präsident (mitspielende/r DirigentIn), zwei Vizepräsidentinnen/en (KonzertmeisterInnen) vor allem aus den Vorsitzenden/Obleuten der Landesverbände (1. StimmführerIn) oder deren Stellvertreterinnen bzw. Stellvertreter (2. StimmführerIn). Dies sind momentan 19 Vertreter aus Landeskirchen der EKD und eine Vertreterin für den Kirchenmusikverband Österreichs. Mit beratender Stimme nehmen die Geschäftsführerin bzw. der Geschäftsführer (IntendantIn bzw. Orchesterwart) sowie die Redakteurin bzw. der Redakteur (TurmbläserIn) der Verbandszeitschrift (die sie gerade in Händen halten) teil. Außerdem sind zu den Sitzungen eingeladen eine Vertreterin bzw. ein Vertreter des Verbands Evang. Kirchenchöre Deutschlands e.V. (CEK / Nachtigall) und des Evang. Posaunendienstes in Deutschland e.V. (EPiD / Solotrompeter). Das alles findet statt unter „Aufsicht“ unseres Gastes vom Bundesverband katholischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker Deutschlands (BKKD / Caecilies Bodenpersonal).
Dem Zentralrat gehöre ich als Stimmführer, pardon Vorsitzender, des Landesverbands Württemberg seit Oktober 2009 an, 2018 wählte mich der Zentralrat (Chorrat) zu einem der Vizepräsidenten/Konzertmeister, und schon 2019 hatten Ingomar Kury und ich vertretungsweise eine Sitzung (dreitägige Konzerttournee) zu leiten. Da Christoph Bogon die Tagesordnungen (Konzertprogramme) mit den Vizes jeweils vorher abgesprochen hatte, ist uns § 8, 3. (s.o.) ebenfalls vertraut.
Die zweimal jährlich stattfindenden Zentralratstagungen (Konzertreisen in die Heimat einer/s der StimmführerInnen) waren für mich immer ein Highlight: so lernt man alle Ecken Deutschlands auf ganz besonders schöne Weise kennen. Das Beste daran: der Austausch mit den engagiertesten Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusikern Deutschlands und Österreichs, die sich ehrenamtlich für ihren Berufsstand (haupt- und nebenberuflich) in ihrer Landeskirche für die kirchenmusikalischen Belange einsetzen – über ihr eigentliches Kirchenmusikamt hinaus oft eine zeitintensive organisatorische Tätigkeit, Gremienarbeit, mit viel Zeit für Beratung von Kirchenmusizierenden und institutionellen Stellen. Einige Landesverbände sind die von ihrer Landeskirche beauftragte Einrichtung für Fort- und Weiterbildung, als Berufsvertreter sind sie in tarifliche und arbeitsrechtliche Prozesse eingebunden, sie vertreten die Kirchenmusik bei landeskirchlichen Veranstaltungen (z.B. Synoden), im Landesmusikrat, bei Ministerien oder weltlichen Fachgremien und veranstalten z.T. selbst Landeskirchenmusikfeste. Im Zentralrat tauschen sich diese StimmführerInnen aus über die Entwicklungen der Kirchenmusik (z.B. Musikgeragogik), musikalische Trends, aktuelle Erfordernisse (z.B. in der Ausbildung der ca. 400 Kirchenmusikstudierenden, der C-Ausbildung oder der Akquise von Organistennachwuchs), arbeitsrechtliche und andere Strukturveränderungen (z.B. Wegfall der Umsatzssteuerbefreiung der Kirchen) in ihren Landeskirchen sowie über geeignete Maßnahmen, die der VEM auf Bundesebene initiieren sollte. Dabei realisiert man bei dem umfangreichsten Tagungsordnungspunkt „Berichte aus den Landesverbänden“ die Vielfalt innerhalb der EKD: die unterschiedlichen Strukturen (Kompositionsformen), Traditionen (Aufführungspraxis), Dialekte (Sound von Flensburg über Mittenwald bis Wien) und Personalbesetzungen (Aufstellung mit teils biblisch-gleichen Rangordnungen) sind – und das ist gut so – sehr abwechslungsreich und bunt (polyphon und harmonisch mit gelegentlichen Bluenotes) – und oft nicht auf die jeweils eigene Landeskirche übertragbar (unterschiedliches Instrumentarium oder divergierende Interpretations-Vorstellungen). In jedem Fall waren und sind die Zentralratssitzungen für mich immer eine Horizonterweiterung (Meisterkurs), stellen eigene Realitäten und Befindlichkeiten (manchmal mitteltönig) in den Kontext des größeren Ganzen (Kammerton), zeigen einem gelegentlich, wie schön es zuhause ist und wie und an welchen Stellen „im eigenen Stall“ noch Optimierungsoptionen oder -bedarf besteht, die man ohne diesen Austausch eventuell gar nicht bemerkt hätte. Die Kollegialität (Teamspirit) dieses Gremiums ist wohltuend (Flow) und ich werde bemüht sein, diese von Christoph Bogon über Jahre so gut geschaffene Atmosphäre (Groove) zu hegen. Mein Amt als Vizepräsident habe ich 2019 von Johanna Werner-Balcke übernommen, einer jahrelang vorbildlich engagierten nebenberuflichen Kirchenmusikerin (die Begriffe „nebenberuflich“ und „hauptberuflich“ gibt es juristisch seit einigen Jahren nicht mehr. In Ermangelung verständlicherer Begrifflichkeiten verwende ich sie dennoch). In den 13.792 evang. Kirchengemeinden (Quelle: EKD Statistik 2019) spielen mindestens 20.000 Nebenberufliche und Ehrenamtliche in den Gottesdiensten Orgel/Klavier, dazu kommen noch ca. 1880 hauptberufliche Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker: die machen gerade mal knapp 10 % aus (Quelle: miz.org). In den Bezirkskantoraten in Hohenlohe und dem Nordschwarzwald, in denen wir bislang tätig waren, stand unsere hauptberufliche Stelle ca. 35 Kirchengemeinden mit C-Stellen gegenüber, momentan haben wir in unserem Teil des Kirchenbezirks 30 Chorleiterinnen und Chorleiter, 85 (überwiegend Teilauftrags-)Organistinnen und -Organisten sowie 34 Sing-/Musikteamleiter (z.T. in Personalunion), so dass auf einen Hauptberuflichen bei uns auf dem flachen Land mindestens 100 Nebenberufliche kommen. Deswegen hatte ich – auch als ehrenamtlicher Posaunenchorleiter und Jungbläserausbilder – schon immer die Interessen der kleinen Gemeinden und ihrer Kirchenmusik verstärkt im Blick. Kirchenmusik: das sind Menschen, die sehr viel Zeit und Engagement investieren zum Lobe Gottes, für schöne Töne, für die würdige Gestaltung verschiedenster Veranstaltungen, für die qualifizierte Anleitung von gleichgesinnten Engagierten, um das geistliche Leben in den Gemeinden zu bereichern. Kirchenmusik bedeutet vielerorts: die aktivste(n) Gemeindegruppe(n) sowie die hörbare und emotional wirkende Schnittstelle von Kirche zur Außenwelt, bei Konzerten sowie insbesondere bei Kasualien oder Schulgottesdiensten mit einem hohen Anteil an Kirchenfernen. Definiert man Kirchenmusik als die Summe aller regelmäßig in Kirchen Musizierenden, also die ca. 370.600 ehrenamtlichen Sängerinnen und Sänger (darunter 86.600 Kinder und Jugendliche) in 20.140 Chören (Quelle miz.org Stand 2018) sowie alle anderen Musikanten in Kirchenorchestern, Blockflötenkreisen, Bands und anderen Instrumentalensembles – zuzüglich natürlich der 117.000 Bläserinnen und Bläser, dann sind diese halbe Million Menschen alle zusammen das klingende Aushängeschild der Kirche, Repräsentantinnen und Repräsentanten des christlichen Glaubens sowie kulturelle Gestalter und Erhalter in kleinen wie in großen Gemeinwesenstrukturen. Für all diese Menschen und deren Belange ist der VEM, und damit auch ich als Präsident, das Sprachrohr: innerkirchlich (z.B. in der Urheberrechtskonferenz in der EKD oder beim Entwicklungsprozess des nächsten Evangelischen Gesangbuchs) wie auch in weltlichen Kontexten (z.B. in der Arbeitsgruppe Kirchenmusik des Deutschen Musikrats), bei Kooperationen mit der Bundesakademie Trossingen oder dem Netzwerk Kirchenmusikvermittlung. Als Gast nimmt der VEM regelmäßig teil an Versammlungen der Direktorenkonferenz (LKMDs und Ausbildungsstättenleiter), beim Bundesverband katholischer Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker Deutschlands (BKKD) oder auch der Tagung der ECPCM (Europäische Konferenz für Evangelische Kirchenmusik). Die in § 2, 1. angesprochenen „Aktivitäten im Rahmen gesamtkirchlicher Unternehmungen“ sind z.B. der Stand auf den Kirchentagen, der dem VEM von seinem großen Förderer Friedemann Strube ermöglicht wird. Ein weiterer wesentlicher Aspekt unseres Verbandswirkens ist die „Unterstützung kirchenmusikalischer Arbeit in evangelischen Diaspora-Kirchen Europas“ durch den Förderkreis für musikalische Aufbauarbeit, dessen Spendenbeauftragter (momentan Thomas Rink) die Projekte betreut und verwaltet. Da in diesem Jahr das Spendensammeln in den Chören erheblich schwieriger wird und das Spendenaufkommen seit Jahren rückläufig ist, möchte ich an dieser Stelle um Ihre besondere Solidarität und Unterstützung bitten. So wie die Landesverbände in ihren Landeskirchen ist der VEM auf EKD- und Bundesebene Ansprechpartner für die Kirchenmusik in ihrer ganzen Vielfalt. Angesichts der teilweisen großen Unterschiede der Landeskirchen (s.o.) und auch der Kulturhoheit der Länder gilt es, das Grundmotiv (soggetto) als Klangmediator (Soundmanager) so zu bündeln (rippen und bundeln) und einzubringen (mit leisen Zwischentönen pp dolce oder als Lautsprecher f marcato), dass es an den entscheidenden Stellen wahrgenommen wird und dann Prozesse für generelle Förderungen, Optimierungen und Regelungen auf allen Ebenen angestoßen werden. Hierzu ist es unerlässlich, gut und eng vernetzt zu sein, rechtzeitig und regelmäßig von Freunden und Weggefährten auf aktuelle Entwicklungen hingewiesen zu werden (man kann ehrenamtlich nicht alles im Blick haben), dienliche Formulierungen zu finden, die das Gegenüber versteht und zum Dialog fähig und bereit macht (oft sind unsere Themen vielen unverständlich und nicht nachvollziehbar, da ist viel Erklärungsarbeit vonnöten). Netzwerken (Registrieren inkl. Sub- und Superkoppeln) ist meins, Protagonisten verschiedener Szenen konnte ich schon in unterschiedlichen Kontexten kennenlernen. Daher ist mir nicht bange und ich schaue zuversichtlich auf das Amt und seine Anforderungen. In Zeiten von Corona wuchs die Zahl der digitalen Angebote der Kirche. Trotz großer Einschränkungen zeigte die Kirchenmusik, mit welcher Kreativität und großem Engagement sie Träger und Lebendigmacher liturgischer Gestaltung ist. Das motiviert viele YouTube-Gottesdienstbesucher zum Mitsingen und damit zum aktiven Mitwirken und Verkündigen (evangelisches Grundverständnis von Gottesdienst!) – insbesondere in Zeiten, in denen man in der Kirche gar nicht mehr singen darf! Manche klicken sich auch in erster Linie der Musik wegen überhaupt erst im Netz ein. Die unbedingte Notwendigkeit von Kirchenmusik im evangelischen Gottesdienst muss in die Köpfe und Herzen von Entscheidungsträgern (aller Ebenen) und dem Kirchenvolk – besonders in den nahenden Zeiten, wo wegen demografie- und finanzbedingter Rückgänge über eine Konzentration auf Wesentliches diskutiert und entschieden werden muss.
Kirche und Kirchenmusik haben eine kulturelle, kulturpädagogische Verantwortung und Verpflichtung, ihre eigene und andere Kultur am Leben zu halten, da sie sowohl Räume als auch Gestaltungsräume haben. Diese Spielräume muss man bei Wahrung und Rücksichtnahme aller gebotenen Vorsicht kreativ ausnutzen und ausschöpfen und inner- und außerkirchliche Player/Beteiligte motivieren, alles sinnvoll und legal Mögliche tatsächlich zu tun und nicht präventiv in Lethargie zu versinken. Sonst werden Chöre und Instrumentalensembles (als aktivste Gottesdienstgestalter und regelmäßigste Gruppen der Kirchengemeinde) wegbrechen und nur mit unverhältnismäßig viel größerem Aufwand (wenn überhaupt) wieder neu aufzubauen sein. Dazu bedarf es der Überzeugung von Gremien auf allen Ebenen, jetzt Rahmenbedingungen zu schaffen, die das ermöglichen – auch wenn es viel mehr Geld und Aufwand (Heizung, Bereitstellung von Räumen samt Nebenkosten, Personal etc.) kostet. Diesen „Mehrwert“ (in beiderlei Hinsicht) zu vermitteln ist unser Auftrag. Aber noch wichtiger ist die Investition in die Menschen, die mit ihrem Singen und Spielen die Gottesdienste wesentlich mitgestalten, die als Mitwirkende das Evangelium aktiv verkündigen, wo Musizierende wie Hörende gleichermaßen mit allen Sinnen Gottes Lob genau so erfahren wie die Tiefe von Trauer, Leid und Trost! Dass hierfür weiterhin Menschen bereit sind, müssen Ehren-, Neben- und Hauptamtliche entsprechend qualifiziert werden: Ehrenamt braucht Hauptamt! – das ist der Schlüssel, dass die evangelische Kirche eine klingende und damit gerne gehört und bemerkt werdende Kirche bleiben kann – in Gottesdiensten und in den 66.000 Konzerten jährlich, die 7,5 Mio. Zuhörende weit über die Gottesdienstgemeinde hinaus erreichen (EKD-Statistik).
So freue ich mich auf dieses Amt von ganzem Herzen, auf die vielen Begegnungen und Anlässe, bei denen ich ab 1. Januar 2021 den Taktstock und die Flüstertüte des Verbands zum Wohl und der Zu(ku)nft der Kirchenmusik in Händen halten werde, um damit im Konzert der vielen Vorstellungen und Erfordernisse kirchlicher und weltlicher Player Einwürfe, Orientierung und Zeichen geben zu können.
Ihr Peter Ammer