Gemeinsam unterwegs im Auftrag des Herrn
Schwierigkeiten und Chancen im Miteinander der Berufsgruppen
Von Peter Bubmann
Im Jahre 1895 wirkte mein Urgroßvater Karl Bubmann als Lehrer in Uehlfeld unweit von Neustadt/Aisch am Fuße des mittelfränkischen Steigerwaldes. Ich habe in Chroniken den Vermerk gefunden, dass er zu dieser Zeit auch der Leiter des Männerchorgesangvereins war. Und der Familienchronik ist zu entnehmen, dass er auch die Orgel gespielt haben muss – ein typischer Lehrerorganist eben, jedenfalls legte er in seiner Anstellungsprüfung zum Lehrerberuf auch Prüfungen in Harmonielehre und Orgel ab. In diesem Jahr kam sein erstgeborener Sohn zur Welt, mein eigener Großvater, ebenfalls später Lehrerorganist in Neuendettelsau. Dabei erlaubte sich der Ortspfarrer – wie im Taufbuch nachzulesen ist – den tadelnden Eintrag ins Taufregister: „conceptio ante conjugationem“ [dt.: Empfängnis vor der Eheschließung]. Die Geburt des Knaben geschah schon drei Monate nach der Hochzeit, die Empfängnis des Knaben hatte sich also vorher ereignet. Das Kind war strenggenommen unehelich gezeugt. Der Pfarrer sah sich nicht nur befugt, sondern vermutlich sogar verpflichtet, diese Diskrepanz zur kirchlichen Lebensordnung zu notieren. Der eine sieht zu, wie er sein Leben als Junglehrer mit werdender Familie auf die Reihe bekommt, und bewährt sich musizierend in verschiedenen Kontexten, und der andere führt die Aufsicht und tadelt in pastoraler Hoheitsrolle.
120 Jahre später haben sich dann doch vielerorts die Bedingungen deutlich verändert. Die Liturgien werden oft gemeinsam von Pfarrpersonen und kirchenmusikalisch Aktiven geplant und durchgeführt. Viele Gottesdienste leben stark von der Musik her, die als Form der Kommunikation des Evangeliums hochgeschätzt und anerkannt ist. Dort, wo die Personen miteinander können und um ihre jeweiligen Kompetenzen wissen und diese respektieren, kann es traumhafte Zusammenarbeit geben zwischen pastoralen Berufen und dem kirchenmusikalischen Beruf.
Und dennoch: Will man im Nachdenken über das Miteinander der Berufe in der Kirche weiterkommen, gilt es auch, die (noch) bestehenden „Baustellen“ und „Fallgruben“ offen zu benennen und zu analysieren und also auch in die Abgründe scheiternder Zusammenarbeit zu blicken. Dabei gilt es vorab zu berücksichtigen, dass es gar nicht so einfach ist, von „der oder dem Kirchenmusiker*in“ zu reden. Die Rede vom kirchenmusikalischen Beruf muss berücksichtigen, dass „kirchenmusikalisches Handeln oft von dem Sachverhalt gekennzeichnet [ist], dass sich verschiedene Grade der fachlichen Spezialisierung mischen (umgangssprachlich: Profi- und Laientum bzw. amtlich legitimiertes und ehrenamtliches Wirken), dass sich Beruf und Berufung durchdringen, moralisch-theologische und fachliche Kompetenzen ineinanderwirken und dass handwerkliche und musikalisch-künstlerische Fähigkeiten zusammenwirken.“ Gerade auf dem Feld der Kirchenmusik ist es unerlässlich, bei der Frage nach dem Miteinander der Berufsgruppen immer auch die Vielfalt der ehrenamtlichen und nebenberuflichen Tätigkeitsfelder und Rollen im Blick zu behalten, die das Feld ganz entscheidend mitbestimmen. Vier Grundprobleme sollen im Folgenden im Blick auf das Verhältnis der beiden Berufsgruppen in den Blick genommen werden.
Die Asymmetrie der Machtpositionen
„Das mittelalterliche Kantorenamt war nach kirchlichem Verständnis ein geistliches Amt gewesen.“ Allerdings eben ein dem Bischofs-, Priester,- und Diakonsamt untergeordnetes Amt (davon abgesehen, dass es auch Priester-Kantoren gab). Die Reformation beendete diese Stellung innerhalb der Hierarchie der Weihestufen und machte den kirchenmusikalischen Dienst zu einem Beruf, der zwar auch noch zum geistlichen Stand gerechnet werden konnte, aber eben kein kirchliches Amt im engeren Sinn mehr war. Im 17. Jh. konnte das Lehrerkantorat noch als Durchgangsstation zum Pfarramt verstanden werden…