Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Deutsche Musikrat kreißte und heraus kamen die neuen Honorar-Untergrenzen für freischaffende Musikerinnen und Musiker bei öffentlicher Förderung. Der neue Tagessatz liegt bei € 675,– – aber nur perspektivisch im Jahr 2025 – denn in
diesem Jahr sollten es nur 540,– sein.
675,– am Tag für z.B. einen Tutti-Geiger, da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Denn vergleicht man diese Zahl mit dem kürzlich vom Deutschen Kulturrat, dessen Mitglied der DMR ist, errechneten tatsächlichen (und geradezu
erschreckend niedrigen) Jahresverdienst von Freischaffenden, könnte man leicht überspitzt fragen, warum diese denn von Februar bis Dezember arbeiten sollen, denn ihr Jahresgehalt hätten sie nach den Vorstellungen des DMR bereits im
Januar verdient.
Oder anders gesagt: Der DMR könnte auch (perspektivisch natürlich) besseres Wetter, höhere Alpen oder Frieden auf Erden vorschlagen und käme damit der finanziellen Realität der Freelancer ungefähr genauso nahe. Natürlich weiß der DMR das und schlägt daher eine entsprechende Erhöhung aller Kulturetats vor – was dem Wunsch nach höheren Alpen wiederum ziemlich genau entspricht. Die hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen unter den Lesern mögen sich vielleicht umgekehrt ausrechnen, wie teuer bei solchen Honorarsätzen z.B. eine Elias-Aufführung mit nur einem Proben- und einem Aufführungstag wird. Kein Problem, wenn man ausverkaufte 5000 Sitzplätze hat, sehr wohl ein Problem, wenn es nur 750 oder gar noch weniger sind und die Karten für unter €120,– verkauft werden sollen. Dann lassen sich Konzerte schlicht nicht mehr finanzieren – von einem Kantatengottesdienst ganz zu schweigen.
Das Dilemma ist offensichtlich und ich habe leider auch keine Lösung: Natürlich wünscht man den freischaffenden Musikerinnen und Musikern, die übrigens unter den Corona-Einschränkungen extrem gelitten haben, ein angemessenes finanzielles Auskommen. Aber wenn die Nachfrager (in diesem Falle also wir) keine Aufführung mehr finanzieren können, ist den Anbietern, also den Freischaffenden, auch nicht geholfen.
Ähnlich schwierig wird die Diskussion, wenn man eine Unterscheidung macht zwischen Freelancern, die ausschließlich von ihren Mucken leben, und Freelancern, die eigentlich einen festen Job als Orchestermitglied, Lehrerin, Kirchenmusiker… haben. Wenn diese ihre Honorarforderungen nach unten schrauben würden, wäre das zwar irgendwie gerechter, würde aber gleichzeitig die Preise auch für die Freelancer völlig verderben, denn kaum ein Veranstalter würde sich die dann teureren Freischaffenden ohne festes Engagement leisten können. Ganz schön schwierig, das alles. Nichtsdestotrotz wünsche ich Ihnen allen ein gesegnetes und (nicht zu) arbeitsreiches und vor allem gesundes Jahr 2024,

Ihr Carsten Klomp

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