Ein Jubiläum! 500 Jahre … Was aber feiern wir eigentlich genau?

Von Martin Mautner

500 Jahre Singen in unseren Gottesdiensten? Das kann es nicht sein. Denn: Schon auf den ersten Seiten der hebräischen Bibel, unseres Alten Testaments, ist von der überragenden Bedeutung der Musik für den Kultus die Rede–in Gen. 4, 21 wird Jubal als derjenige genannt, der als Erster Gott musikalisch lobte (und dazu übrigens auch bereits Instrumente einsetzte).
Wir könnten jedoch sogar noch weiter zurückblättern: Beginnt nicht der biblische Kanon insgesamt mit einem Refrainlied über Gottes gute Schöpfung (Gen. 1,1–2,4)?
Die reiche Tradition der Tempel- und Synagogenmusik (Psalmen, Cantica, Threni, Hoheslied …) wurde in den Gottesdiensten der ersten christlichen Gemeinden übernommen und weitergeführt; die neutestamentlichen Lieder und Liedzitate zeugen davon. Ja, wie wir den erhaltenen Briefen des bithynischen Statthalters Plinius an seinen Kaiser Trajan (um 100) entnehmen können, war der Kultgesang geradezu ein Kennzeichen der Zusammenkünfte der jungen Kirche.

500 Jahre Gesangbücher? Im Grunde auch nicht … Mit den Psalmen haben wir ja bereits ein Gesangbuch mit umfangreichem Liederbestand in unserer Bibel. Das dem König Salomo zugeschriebene Hohelied oder die Threni, die Klagelieder Jeremias also, sind ebenfalls Sammlungen, die in Gänze in den Kanon der Heiligen Schrift aufgenommen wurden. In der Spätantike und während des Mittelalters kamen unzählige Gesangbücher hinzu; sie dienten als individuelle Arbeitsmaterialien für Kantoren oder, im Folioformat gehalten und auf einen großen Ständer gestellt, als Notenfundus für eine Schola, einen liturgischen Chor also. Solche (Männer-) Chöre übernahmen um 600 in Folge einer Gottesdienstreform des Papstes Gregor I. den zuvor selbstverständlichen Gemeindegesang mehr und mehr…

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