In der beim Schreiben dieser Zeilen aktuellen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wird über einen für mich etwas merkwürdigen Trend berichtet. Immerhin eine ganze Seite widmet sich im Buch „Leben“ dem Thema „Hexen heute“. Hexen großgeschrieben, es geht also nicht um die Tätigkeit als solche – soweit versteigt sich die Redaktion nicht – sondern um die Damen (von männlichen Hexen ist in dem Artikel kaum die Rede), die sich sozusagen beruflich dieser Tätigkeit widmen. Beruflich ist dabei der entscheidende Punkt, denn der Begriff des Berufs hängt ja auch mit dem Broterwerb zusammen (was leider für die Berufung nicht immer gilt, aber davon können viele Musikerinnen und Musiker ja ein berufenes Liedlein singen). Trotz oder vielleicht auch wegen der ausführlichen Würdigung des beruflichen Werdegangs der beschriebenen Dame – immerhin kann sie auf eine fast beendete Ausbildung zur Heilpraktikerin blicken und ist als Hexe erfahrene Autodidaktin – bin ich zunächst von einer, nun ja, Hobby-Hexe ausgegangen.
Aber die Dame lebt von ihrem Hokus Pokus – und je mehr sich der Artikel diesem ökonomischen Aspekt ihres Berufsstandes näherte, der in diesen Kreisen laut FAS wohl sehr fein mit dem Begriff „Energieausgleich“ umschrieben wird, umso mehr wartete ich auf einen bestimmten Vergleich. Und unvermeidlich kam er:
„Jede Spiritualität hat einen ökonomisch-kapitalistischen Aspekt“, so zitiert die FAS Victoria Hegner, Kulturanthropologin an der Berliner Humbold-Uni, „und alle Formen von Spiritualität sind letztlich auch ein hartes Geschäft.“ Die Zahlung sei vergleichbar mit dem Kirchenzehnt [!], nur umstrittener. „Wenn man sich anschaut, wie stark die etablierten Formen von Religion Geld machen, das hinterfragt niemand.“
Das ist gleich doppelter Unsinn. Zum einen muss man heutzutage kein FDPMitglied sein, um die Kirchensteuer – und auf diese dürfte Frau Hegner wohl anspielen – zu hinterfragen. Hierfür reicht es, zur nicht ganz so elitären Gruppe der Nicht(mehr)Christen zu gehören, mittlerweile mehr als die Hälfte der Deutschen, von den kircheninternen Kirchensteuerkritikern (die ich sehr ernst nehme) gar nicht zu reden.
Zum anderen, und hier empfinde ich persönlich den Unsinn als Unverschämtheit, weil durch eben diese Kirchensteuereinnahmen und Kollekten eine gewaltige Vielfalt von Arbeitsfeldern im kulturellen, diakonischen, mildtätigen, sozialen, bildenden … Bereich finanziert und, ja, das auch, mit der die Menschen, die in diesen Feldern arbeiten, vergütet werden. Anders als man vermutlich bei der Profi -Hexe annehmen darf, hat jedoch keiner dieser Menschen einen persönlichen Vorteil dadurch, dass ihm oder ihr womöglich neben (oder anstelle) der Kirchensteuer eine Spende für die eigene Arbeit überreicht wird. Alleine die Andeutung, dass sich „die etablierten Formen der Religion“ oder gar die dort arbeitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter persönlich durch das „Geld machen“ bereichern, empfinde ich geradezu als eine Frechheit. Und immer wieder kann ich nur dazu auffordern, diese Zusammenhänge auch in Gesprächen deutlich zu machen. Kirchensteuer ist kein Selbstzweck, sondern notwendiges Mittel für seelsorgerliches, kulturelles, diakonisches Arbeiten und vieles mehr.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihren persönlichen Energieausgleich nicht nur am Monatsende auf dem Konto, sondern Tag für Tag in Ihrer erfüllenden Arbeit finden. Und das nicht nur zur Advents- und Weihnachtszeit,
Ihr
Carsten Klomp