Orgelbau

Wohin weht der Wind? Trends im Orgelbau
Von Markus Zimmermann.

Sind Trends wirklich Wünsche der Nutzer? Die Verdrängung des Bargeldes etwa folgt eher den Interessen großer Konzerne. Zum Glück agieren Anbieter von Orgeln nicht in solchen Strukturen; bei den Zulieferern der Zulieferer für Elektronik sieht es schon anders aus. Orgelbauer reflektieren die Wünsche ihrer Kunden intensiv und versuchen, diese zu erfüllen. Dass dabei gelegentlich des Guten zu viel getan wird, sich selbst erfahrene Handwerker von den Gesetzen der Physik entfernen oder von den Träumen ihrer Auftraggeber davontragen lassen, ist nicht neu – siehe Joseph Gabler. Trends sind überdies nicht mit Neuerungen zu verwechseln, wie zyklisch wechselnde Moden auch im Orgelbau zeigen. – Alles, was mit der Orgel zu tun hat, erlebt momentan Veränderungen, wie es sie innerhalb so kurzer Zeiträume noch nie gegeben hat. Dies hat vor allem drei Ursachen:
1. Mit der – nicht der Pandemie geschuldeten – Insolvenz der Firma Aug. Laukhuff GmbH in Weikersheim zum 30. Juni 2021 fiel einer der weltweit größten, wenn nicht der größte Lieferant von Orgelteilen aus. Dies betrifft nicht nur jene Werkstätten, die dort vom Trakturwinkel über Pfeifen bis hin zu Großspieltischen mit elektronischer Steuerung aus einem stattlichen Katalog bestellen oder nach genauen Angaben fertigen lassen konnten. Wer wartet und repariert nun die komplexen mehrteiligen Orgelanlagen mit ihren vielen Sonderfunktionen? Damit ist das Vakuum direkt in den Kirchen und Konzertsälen, mithin bei Orgelbesitzern, Interpreten und letztlich bei Hörern angekommen. Alternative Bezugsquellen für Gebläse, Registersteuerungen, Leder, Blaupapier etc. gibt es bzw. werden allmählich erschlossen. Es wird aber für die vielen Kleinbetriebe schwieriger, dies zu koordinieren. Manche Orgelbauer stellen Kleinteile wieder selbst her oder organisieren dies in überschaubaren Firmenverbünden. Damit entsteht mancherorts eine höhere Fertigungstiefe, und es können Kapazitäten ausgeglichen werden. Bei laufenden Projekten muss mit Verzögerungen gerechnet werden, nicht zuletzt des allgemein angespannten Marktes für Rohmaterialien wegen.
2. Waren Firmenkooperationen im Orgelbau bis vor rund 20 Jahren Ausnahmen, tun sich heute oft mehr als zwei Partner – mitunter heterogener Struktur – zusammen, um eine Reorganisation, Restaurierung oder einen Neubau zu bewältigen. Ergänzen sich die Kompetenzen, kann der Auftraggeber profitieren. Schwierig kann es beim Thema Garantie / Gewährleistung werden: Wie soll die intonierende Firma für die klangliche Stabilität haften, wenn die von anderen konstruierte Windanlage versagt? Dem Auftraggeber muss zumindest im Vorfeld klar kommuniziert werden, wer welchen Bereich übernimmt und wer die Gesamtverantwortung trägt. Es soll inzwischen Orgeln geben, an denen Werkstätten aus halb Europa beteiligt sind. Solche internationalen Kreationen mögen ideell und künstlerisch reizvoll sein; in der Praxis entsteht jedoch mehr Koordinationsaufwand. Findige Auftraggeber bestellen Teile wie den Spieltisch direkt beim Zulieferer. Der Orgelbauer vor Ort darf dann das Puzzle zusammenschrauben und zusehen, wie er etwa die Spannung der elektrischen Registerbetätigung, womöglich im gewachsenen Zustand, jener im zugelieferten Spieltisch angleicht; die Verständigung hierüber verschlingt weitere kostbare Ressourcen – und dies nicht zu knapp. Ein weiteres Problem ist, dass wir zwar so viele im Orgelbau tätige Betriebe haben wie kaum je zuvor. Doch nur wenige können (noch) das komplette Spektrum von der Reparatur bis zum Neubau auch größerer Instrumente anbieten. Deshalb erleben die Auszubildenden in vielen Häusern nicht mehr alle Themen, die der Lehrplan vorsieht…

Schreibe einen Kommentar