Komponisten

Johann Kuhnau
Von Rainer Goede.
Vor dreihundert Jahren, am 5. Juni 1722, verstarb Johann Kuhnau in Leipzig. 38 Jahre lang war die Thomaskirche sein Arbeitsplatz gewesen, 1684 bis 1701 als Organist, dann als Thomaskantor. In einem Nachruf, der in einem Leipziger Jahrbuch erschien, heißt es: „Was er nächstdem an Musicalischen Kirchen-Stücken, insonderheit seit anno 1701, da er Cantor und Director Musices worden, componiret habe, mag wohl schwerlich zu zehlen seyn, gestalt er bey seinen häuffigen musicalischen Aufführungen sich fremder Composition niehmals oder doch gar selten bedienet, da hingegen mit seiner Arbeit er andern vielfältig aushelffen müssen.“ (zit. nach: Maul, Michael: Vorwort. In: Erler, David (2017, Hrsg.): Johann Kuhnau (1660-1722): Magnificat. Wiesbaden: Breitkopf & Härtel. Partitur-Bibliothek PB 32108, S. III). Dieses Zitat weist darauf hin, dass der allergrößte Teil von Kuhnaus Vokal-Kompositionen aus seiner Amtszeit als Thomaskantor verlorengegangen ist, nur noch rund 30 Kirchenmusiken liegen in Drucken, Autographen und Abschriften, manche davon mit keinen oder zweifelhaften Zuweisungen, heute noch vor. Unser Bild vom Nachfolger Johann Schelles (1648 – 1701) im Leipziger Thomaskantorat ist also mehr als nur unvollständig. Erste Biographien wurden veröffentlicht von Johann Gottfried Walther (Musikalisches Lexikon, Leipzig 1732, S. 349ff), Johann Mattheson (Grundlage einer Ehren-Pforte, Hamburg 1740, S. 153ff) und Ernst Ludwig Gerber (Historisch-Biographisches Lexikon der Tonkünstler, Sondershausen 1792, Sp 761ff).
Johann Kuhn(!) wurde am 6. April 1660 in Geising (heute ein Stadtteil von Altenberg im östlichen Erzgebirge) als Sohn des Tischlers Barthel Kuhn geboren. Einer seiner Taufzeugen war Andreas Schelle, vermutlich ein Verwandter des späteren Thomaskantoren Johann Schelle, der ein Sohn des  Geisinger Lehrers und Kantoren Jonas Schelle war. Johann Kuhns Brüder Andreas (1657 – 1721) und Gottfried (1674 – 1736) wurden gleichfalls Kantoren (Andreas u.a. in St. Annaberg, Gottfried u.a. in Johanngeorgenstadt). Im Februar 1671 erhielt Johann wohl auf Vermittlung durch Salomon Krügner, einem Verwandten der Kuhns (er war Kornettist in der Dresdener Hofkapelle von 1666 bis 1691) wie zuvor schon sein Bruder Andreas eine Stelle als Ratsdiskantist an der Dresdener Kreuzschule. Die musikalische Ausbildung der Ratsdiskantisten unterlag Alexander Heringk (Schüler von Heinrich Schütz und Organist an der Kreuzkirche von 1650 bis 1695). Die Kreuzschule vermittelte Kuhn eine gründliche Ausbildung in Latein, Griechisch, Religion, Logik und Rhetorik. Musikunterricht erhielt er außerdem bei Christoph Kittel (Hoforganist von 1645 bis 1680) und bei Vincenzo Albrici (1631 – 1687, Hofkapellmeister von 1657 bis 1680), dessen italienischer Hofkapelle er seine italienischen Sprachkenntnisse verdankte. Auch in der französischen Sprache, der Sprache der galanten Welt, wurde er ausgebildet. Mitte 1680 kehrte Johann, da in Dresden die Pest ausgebrochen war, nach Geising zurück. Wenige Wochen später wurde er von seinem  ehemaligen Dresdener Chorpräfekten Erhard Titius (1653 – 16.05.1681), der am 10. September 1680 sein Amt als Kantor in Zittau angetreten hatte, nach Zittaueingeladen, um als Chorpräfekt seine schulische Ausbildung dort zu vollenden. Unterricht sollte er erhalten bei dem Rektor Christian Weise (1642 – 1708) und dem Organisten Moritz Edelmann (* nach 1600 – 6.12.1680, zuvor Hoforganist in Halle), der seit 1676 Nachfolger von Andreas Hammerschmidt war und etliche poetische Texte Weises vertont hatte. Christian Weise war damals der Schulmann par excellence, der ununterbrochen Lehrbücher zu allen Fragen weltmännischer Ausbildung veröffentlichte. Außerdem schrieb er neben satirischen Romanen, Komödien und Dramen über 50 humorvolle, bzw. satirisch-realistisch volkstümliche Schuldramen für die drei regelmäßigen Fastnachtspiele von je fünfstündiger Dauer. Sie sollten einen dreifachen Nutzen haben: Beförderung einer galanten Sprache sowie die Kenntnis der Ethik und der Geschichte. Nur in der schon früh besungenen Musik suchte Weise Erholung, dass er denn auch als Dichter von Kantatentexten (Reiffe Gedancken, Leipzig 1682?/83) hervortrat, ist darum nur natürlich…

Schreibe einen Kommentar