Definition

Was ist Kirchenmusik? Unvollständige Gedanken eines Begeisterten
Von Jochen Kaiser

Als Kirchenmusiker, der seit vielen Jahr(zehnt)en in verschiedenen Bereichen der Kirchenmusik arbeitet, sollte ich wissen, was Kirchenmusik ist. Tatsächlich, immer, wenn ich mit Kirchenmusikkolleg*innen im Gespräch bin, stellt sich das Gefühl einer gefühlten, also unausgesprochenen Übereinkunft ein. Wir wissen was Kirchenmusik ist und wovon wir reden. Wir teilen die gleichen (versteckten) Kriterien, die Kirchenmusik definieren. Doch in Gesprächen mit anderen Musiker*innen, mit Freund*innen und Bekannten wird es schwierig, Kirchenmusik präzise zu beschreiben: Einige winken ab, weil diese alte Orgelmusik nicht ihre Präferenzen trifft; andere lächeln versonnen, an wunderbare Erlebnisse in gotischen Kathedralen erinnert, wo (gregorianischer) Gesang die hohen Hallen füllte. Andere wiederum… Diese Liste könnte lange fortgesetzt werden. Sobald wir einen Begriff verwenden, unterscheiden wir. Wenn wir das Wort «Kirchenmusik» als Bezeichnung von Musik in den Mund nehmen, grenzen wir den Bereich «Kirchenmusik» von anderer Musik, von Geräuschen, von Sprechen, von Tanzen, von Theater oder von Filmen ab, um einige andere angrenzende Bereiche zu benennen. Der Begriff «Kirchenmusik» wurde in der Geschichte in unterschiedlicher Hinsicht als Abgrenzungsbegriff genutzt: Kirchenmusik grenzte sich von weltlicher Musik oder von populären Musikstilen ab. Kirchenmusik bezeichnete Musik im Kirchenraum oder spezielle Musikgenres wie den Gregorianischen Choral. Kirchenmusik bevorzugt(e) bestimmte Instrumente wie Orgel oder Gesang. Kirchenmusik orientierte sich am Text, der möglichst aus der Bibel stammen sollte und dem Aufführungszusammenhang, z.B. einem Gottesdienst. Diese Arten der Unterscheidung sind heute obsolet, denn Kirchenmusik als materialer Abgrenzungsbegriff ist schwierig geworden. Doch damit stellt sich die Frage Was ist «Kirchenmusik?» umso drängender, denn zu entscheiden: Bach ist gleich Kirchenmusik, ist zwar begrenzend, dafür aber klar. In der umfangreichen, vierbändigen «Geschichte der Kirchenmusik» nehmen Wolfgang Hochstein und Christoph Krummacher diese Frage auf, lösen sie für mich aber unbefriedigend bzw. weichen einer Klärung aus, indem sie schreiben: «Um den bis in theologische Dispute reichenden Problemen derartiger Definitionen und Abgrenzungen von vornherein aus dem Weg zu gehen, wurde der vorliegenden Darstellung ein möglichst weiter Begriff von Kirchenmusik zugrunde gelegt. Dieser ist vielleicht in der protestantischen Tradition angesiedelt, entspricht aber so oder so dem gängigen Verständnis und wird wohl auch von den meisten Leserinnen und Lesern geteilt.»….


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